St.Pöltner Künstlerbund

Lokale Aspekte und küstlerischer Wandel -
zum 50jährigen Bestand des St.Pöltner Künstlerbundes

von Prof. Dr. Siegfried Nasko, Stadtrat für Bildung und Kultur


»Hier in St. Pölten spürt man das unbekannte Niederösterreich. Darum nenne ich diese Stadt, die Hauptstadt des Landes ... hier tritt uns das geruhsame, offene, glückliche Gesicht des Landes Niederösterreich entgegen. In keiner Stadt ist es so restlos verkörpert wie in der Barockstadt St. Pölten. Im Stadtbild wie in seinen geistigen, tief besinnlichen Menschen.« Als Joseph August Lux in seiner österreichischen Kulturgeschichte diese Worte veröffentlichte, kam es am 16. November 1946 zur Vereinigung der in St. Pölten und im weiteren Umkreis der Stadt ansässigen bildenden Künstler unter dem Namen St. Pöltner Künstlerbund mit Sitz in St. Pölten. Als Zielsetzung dieses Künstlerbundes wurden die Pflege guter Kunst und die Gewinnung weiterer Kreise der Bevölkerung für die bildende Kunst durch fachliche Vorträge genannt. Albert Camus bezeichnete die Auswahl als Prinzip der Malerei. Kunst sei die Bewegung, die preist und verneint zu gleicher Zeit. Der eigentliche Doyen der bildenden Künstler St. Pöltens wäre Ferdinand Andri gewesen, durch seine Kompromittierung als Nutznießer des Naziregimes hatte dieser sich jedoch vorerst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Beste Glückwünsche erreichten den Künstlerbund vom Gründungsmitglied der Wiener Sezession Maximilian Lenz aus Pyhra. Die Anwesenheitsliste der Begründer des St. Pöltner Künstlerbundes demonstriert die Kontinuität vom ausklingenden Austrofaschismus und der Nazideutschen Okkupation bis in die zweite Republik Österreich. Sie waren durchwegs keine Verneiner überkommener Staats- und Heimatkunst. Der "Bundesleitung" genannte Vorstand wählte den aus Brunn im heutigen Süden St. Pöltens stammenden akademischen Maler Adolf Peschek zu seinem Vorsitzenden. Peschek wirkte durch Jahre hindurch am Wiener Kunsthistorischen Museum und war Mitglied in der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs. Er wurde rasch zum neuen Katalysator der örtlichen bildenden Künstler, entwarf die Satzungen und traf die organisatorischen Vorbereitungen und Weichenstellungen für den neuen Künstlerbund. Sein Stellvertreter wurde Prof. Ignaz Mühlbacher, Schriftführerin wurde die akademische Bildhauerin Iris Hahnl-Faerber, Kassier der Maler Josef Tobner und Beisitzerin die akademische Malerin Maria Sturm.

Keine niederösterreichische Stadt hatte gegenüber dem nazideutschen Okkupationsregime einen so hohen Blutzoll im Widerstand geleistet wie St. Pölten. Im Bereich der bildenden Kunst hatte man sich, soweit feststellbar, allerdings entweder dulden lassen oder angepaßt. Sie alle hatten aus dem unheilvollen Inferno jedoch gelernt und waren mit der 1945 in New York formulierten Forderung Fritz Wotrubas einer Meinung, daß der Künstler Freiheit benötige und der Staat ihm ein würdiges Dasein ermöglichen solle. Denn Kunst und Leben sei eins. Erste Ausstellungen veranstaltete der neue St. Pöltner Künstlerbund ab 1947 im Festsaal der Lehrerbildungsanstalt, dem heutigen BORG, 1949 wurden die Exponate erstmals im Karmeliterhof und ab 1951 auch in der Stadtbücherei präsentiert. Da es 1949 erstmals auch eine Landesunterstützung gab, besichtigte der damalige junge Beamte des NÖ. Kulturreferates Dr. Rupert Feuchtmüller die Exponate. In seinem zusammenfassenden Urteil über diese Ausstellung des St. Pöltner Künstlerbundes für das Land sprach er allerdings von "niedrigem Niveau". Der St. Pöltner Künstlerbund reagierte konsterniert und berief sich auf lobende Äußerungen der St. Pöltner Gemeindevertretung.

In seiner Einleitung zum Bildhauerbuch schreibt Alfred Hrdlicka, ein Künstler sei nicht in dem Sinn Naturalist, wie er sich gegenüber einer Stilbesonderheit, sondern wie er sich der Natur gegenüber verhält, wie sie ihn anrege, und wie er sie nachzumachen versuche. Dabei wisse der Künstler sehr wohl, daß das Endprodukt durch die Medien Zeichnen, Malen, Bilden ein Produkt der bildenden Kunst sein werde, an das man dann auch andere ästhetische Maßstäbe legen werde, nicht nur seine Naturbezogenheit. Und für Oswald Wiener sind Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit des Künstlers, auf der Flucht in die Sinne, im Abbild oder in der Abreaktion letztlich unzugängliche Manifeste von Impulsen.

In der Zeit des Wiederaufbaues waren nicht bloß die Beschaffung von Atelierräumen, von Malmaterialien oder Sonderbezugsscheinen für Arbeitsbekleidung Tagesordnungspunkte einer sich aufs Neue besinnenden Gesellschaft. Das Wort Pascals Eine nichtige Sache, die Malerei, die uns gefällt wegen der Ähnlichkeit der Dinge, die uns nicht gefallen könnten, mag bei der Einschätzung künstlerischer Leistungen bzw. schöner Darstellungen beim versierten Kunstexperten auf der einen und beim gefallenfindenden Publikum auf der anderen Seite zu einer durchaus unterschiedlichen Gewichtung an ein und dem selben Exponat führen. Franz Kaindl hob daher in seiner Würdigung des St. Pöltner Künstlerbundes am Beginn vor allem die bemerkenswerten Kompositionen des damals 20jährigen Robert Herfert, zwei Jahrzehnte später die "nahezu kubistisch vereinfachten Formen" Ernst Krötlingers hervor. Sonstige Höhepunkte markierten vor allem der 1950 wieder in Erscheinung tretende und zum Ehrenmitglied ernannte Ferdinand Andri, ebenso wie der 1982 zum Ehrenmitglied avancierte Franz Luby; darüber hinaus die grafisch dominierten virtuosen Gemälde Fritz Küffers, in weiterer Folge die Landschaften und Portraits Friedrich Fischers, die Arbeiten des kritischen Naturalisten Walter Berger, die Holzschnitte Hans Eilnbergers und Getraude Erlachers, die Aquarelle Franz Rupps, die Installationen Ernest A. Kienzls und die Flugobjekte Josef Friedrich Sochureks.

Nach der Übersiedlung Adolf Pescheks nach Wien wurde Prof. Friedrich Fischer zum neuen Obmann gewählt. In diese Zeit fiel 1954 die erste Künstlerbund-Ausstellung im NÖ Landesmuseum in Wien. Fritz Küffer, der Fischer 1957 als Künstlerbund-Obmann ablöste, war erstes St. Pöltner Vorstandsmitglied in dem 1956 gegründeten Landesverband der NÖ Kunstvereine. Von 1958 bis 1973 stand der akademische Maler Josef Tobner sen. an der Spitze des Künstlerbundes. Die Obmannschaft Tobners war trotz aller geführten Auseinandersetzungen über künstlerische Strömungen und Richtungen auch durch eine Öffnung für neue und junge Kräfte gekennzeichnet. So war 1964 der heutige Obmann Prof. Friedrich Martin Seitz mit religiösen Themen erstmals zu sehen, vier Jahre später ließ das Experiment Computerkunst Otto Beckmanns aufhorchen und 1971 kam es schließlich zur ersten Präsentation in St. Pöltens deutscher Partnerstadt Heidenheim. Seit 1973 ist Prof. Friedrich M. Seitz Präsident des St. Pöltner Künstlerbundes. Freiheit der künstlerischen Ausdrucksform, die Verteidigung subjektiver Absichten und die Festigung persönlicher Stilmittel sind Leitlinien seiner Präsidentschaft. Über die traditionellen Jahresausstellungen hinaus setzte er eine Reihe von Impulsen durch Open-Air-Ausstellungen oder spektakuläre Aktionen am Rathausplatz, im Sparkassenpark oder am Bischofsteich. Der St. Pöltner Künstlerbund ist zweifellos Sauerteig für den Bereich der bildenden Kunst und die Bedeutung der heutigen Landeshauptstadt auf diesem Gebiet. Die Künstlerinnen und Künstler, die in dieser Vereinigung seit fünf Jahrzehnten tätig waren bzw. sind, sind sowohl als Anreger und Vermittler kultureller Werte als auch als Steine des Anstoßes für die urbane kulturelle Entwicklung von Bedeutung. Geistige Offenheit, Bereitschaft zur Information und Weiterbildung, Flexibilität, persönliches Einfühlungsvermögen und ein aus all dem erwachsendes kritisches Urteil sind nach Peter Baum gerade in der gegenwärtigen pluralistischen Situation die wichtigsten Voraussetzungen für eine fundierte Auseinandersetzung mit Kunst. Stärker als früher konfrontiert heute Malerei, Grafik, Plastik und Architektur mit einer großen Anzahl von Formen und Entwicklungsverläufen, die in ihrer Summe zu einer neuen, erweiterten Sicht und Beurteilung herausfordern. Eine Folge davon ist, daß sich schließlich nicht nur die Kriterien für Kunst verändern, sondern daß auch der Kunstbegriff an sich modifiziert wird. Alle Persönlichkeiten, die nunmehr beim jubilierenden St. Pöltner Künstlerbund künstlerisch tätig sind, haben der Stadt St. Pölten, der Gemeindervertretung und Stadtverwaltung und der gesamten Bevölkerung in ihrem unglaublichen Facettenreichtum viele hochwertige kulturelle Geschenke gemacht. Für diesen bedeutenden Beitrag zur lebendigen Kulturlandschaft St. Pöltens ist jedem einzelnen Küstlerbundmitglied zu danken. Auf dieser Basis und in Kooperation mit dem Landesverband der NÖ Kunstvereine und dem gleichfalls in St. Pölten ansässigen NÖ. Dokumentationszentrum für moderne Kunst laufen derzeit die Vorbereitungen zur Installierung eines Kunstpädagogischen Zentrums. Eine Weichenstellung, die ohne das Engagement des St. Pöltner Künstlerbundes wohl kaum in dieser Form angepeilt werden könnte.


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